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Alt 30.03.2009, 21:01   #1
Rainer Kauper
KAUPER XT
 
Registriert seit: 04/2003
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Standard Channels, Konkaven, oder Plan?

Hi,

wir haben in den letzten Tagen recht viele Anfragen zu den verschiedenen Shapes im Unterwasserschiff erhalten, welches denn nun welche Eigenschaften besitzt und was nicht. Um Zeit zu sparen und weil ich glaube, dass es noch andere interessiert, möchte ich hier gerne eine Übersicht geben, die dann viele lesen können.

Für die Kiter, die noch nicht so lange dabei sind und von den vielen Fachbegriffen gerne mal überfahren werden, sei angemerkt, dass es sich hierbei nicht um die Bodenkurve oder die Outline (Grundriss) handelt, sondern nur darum, ob das Board auf der Unterseite ganz plan geformt ist, oder eine Konkave (Delle nach innen), oder einen Channel (geradlinige Vertiefung, also einen Kanal) hat.

Flat Bottom: Das Unterwasserschiff ist ganz plan geshaped. Die Boards mit einem planem Boden haben ein sehr looses Fahrverhalten, gutes An- und Durchgleiten, sowie eine sehr präzise Vorgabe des Flex, gepaart mit einer guten Haltbarkeit des Boards auch bei sehr harten Belastungen, wie etwa Kiteloops etc. Außerdem lassen sich solche Boards mittlerweile etwas kostengünstiger produzieren, was einen Preisvorteil bei der Anschaffung eines neuen Boards mit sich bringt. Die dazu notwendigen Formen sind plan und benötigen keine aufwändigen Fräsarbeiten. Auch die Kerne müssen auf der Unterseite nicht gefräst werden. Die Richtungsstabilität kann nur durch die Montage größerer bzw. kleinerer Finnen vorgegeben werden. In Summe ergibt sich ein sehr schönes Board für den Freerider, da es sehr fehlerverzeihend ist und trotzdem gute Fahrleistungen besitzt.

Concave Bottom: Im Prinzip hat sich eine Version beim Concave Bottom durchgesetzt. Es wird in der Mitte eine Delle nach innen ausgefräst, die zu den Tips hin ausläuft und somit etwa den Grundriss eines Ovals hat. Die Delle hat an der tiefsten Stelle im Zentrum etwa eine Tiefe von 3 – 8 mm, je nach Geschmack des Shapers. Die Vorteile beim Concave Bottom sind ein weiches Einsetzen im Kabbelwasser und ein recht looses Fahrfeeling. Im Volksmund wird sehr gerne behauptet, dass ein Concave Bottom früher angleitet, was auch im Grunde genommen richtig ist. Es hängt aber definitiv nicht damit zusammen, dass sich etwa unter dem Konkav ein Luftkissen, oder Luft-Wasser-Gemisch bildet und das Board besser aus dem Wasser hebt. Vielmehr ist durch die Delle nach innen die Bodenkurve im Zentrum des Boards flacher. Nur dieses Detail alleine ist der Grund dafür, dass ein Board mit Concave Bottom besser angleitet, siehe Grafiken unten. Wollte man auf einem Luftkissen gleiten, müsste der Boden wesentlich stärker nach innen gekrümmt werden. Eine flachere Bodenkurve im Zentrum bewirkt im Prinzip den gleichen Effekt. Der gleiche Volksmund behauptet auch gerne, dass diese Boards mehr Kantengriff haben, was wir selbst in zahlreichen Tests mit 100%ig baugleichen Boards nicht nachweisen und bestätigen konnten. Eine Bestätigung dafür soll die unten stehende Grafik verdeutlichen. Man erkennt klar, dass die blauen Strömungslinien des Wassers keinen zusätzlichen Halt finden. Ein Board fährt nie 100%ig geradeaus und dazu soll ja ein Shapedetail, wie z.B. eine Konkave u.a. verhelfen. Fährt man ein Board mit Concave Bottom über die Längsrichtung gesehen flach, was z.B. beim An- und Durchgleiten immer wieder der Fall ist, sowie beim Umkanten von Fersen- auf Zehenbelastung, wird man sehr schnell eine kurzeitig fehlende Richtungsstabilität feststellen. Das Board bricht kurz aus, weil die Finnen alleine die Führungsarbeit nicht übernehmen können und dies die einzige Fahrlage ist, wo das Konkav ein wenig Auftrieb erzeugt, aufgrund der flacheren Bodenkurve im Zentrum des Boards. Diese Boards sind dadurch etwas anspruchsvoller zu fahren. Zudem kommen durch den Einbau einer Konkave noch erhebliche statische Belastungen im Board hinzu, die leider auch hin und wieder zu Bruch führen. Die Produktion einer Konkave im Unterwasserschiff erfordert eine relativ simple 3D-Produktionsform mit einer nach außen gewölbten Delle. Die Kerne werden nur in den seltensten Fällen auf der Unterseite gefräst, was die ges. Produktionskosten kaum teurer macht, als ein plan geshaptes Board.

Channel Bottom: Diese Form des Unterwasserschiffs ist die logische Weiterentwicklung des Concave Bottom und beinhaltet die gleichen Vorteile (Gleiteigenschaften und weiches Einsetzen im Kabbelwasser), ohne zugleich die Nachteile zu beinhalten. Hierbei wird ein längsgerichteter Kanal mit einer maximalen Tiefe von etwa 3 – 8 mm im Zentrum des Boards in den Boden gefräst, der zu den Boardenden hin plan ausläuft. An den Kanten des Channels ergeben sich jedoch Führungen, die das Wasser kanalisieren und somit dem Board eine hohe Richtungsstabilität verleihen, auch wenn es absolut plan gefahren wird, siehe die blauen Strömungslinien des Wassers in der Grafik unten. Die Kanten des Channels sind auch der Grund für einen stark erhöhten Kantengriff. Deswegen ist es äußerst wichtig, dass der Channel sich fast über die gesamte Breite des Boards erstreckt und die Channelkanten möglichst weit außen an der Boardkante platziert sind. Durch die beiden seitlichen Stege neben dem Kanal behält das Board seine eigentlich gebogene Bodenkurve bei, was es durch Belastung auf der Kante sehr drehfreudig macht. Auch beim Channel wird kein Luftkissen erzeugt, sondern lediglich die Bodenkurve wird im Zentrum flacher und dadurch das An- und Durchgleiten besser. Leider ist der Channel Bottom die aufwändigste Variante der Unterwasserschiffe, weil der Kern 100%ig genau zu der Produktionsform passen muss, in welcher er laminiert wird. Die Formen sind alles gefräste 3D-Formen und die Kerne müssen zusätzlich auf der Unterseite gefräst werden. Die Verarbeitung muss zudem sehr präzise erfolgen, weswegen dieses Unterwasserschiff auch deutlich kostenintensiver als alle anderen ist. Man erhält jedoch ein sehr stabiles Board, was auch hohen Belastungen stand hält.

Fast alle Wakeboards haben heutzutage Channels im Unterwasserschiff, weil dort auch extremer Kantengriff, gute Richtungsstabilität, gepaart mit hoher Drehfreudigkeit gefragt sind. Bei Kiteboards kommen allerdings noch die Gleit- und Höhelaufeigenschaften hinzu, die durch eine wesentlich flachere Bodenkurve erzielt werden, als bei Wakeboards. Auch bei Windsurfboards hat man in den 80er Jahren mit Konkav, dann Doppelkonkav, dann Trikonkav, bis hin zu Quattrokonkav experimentiert. Durchgesetzt hat sich dort dann am Ende ebenfalls der Channel bei Boards, die nicht nur eine einzige Disziplin gut können, sondern in allen Bereichen gute Fahreigenschaften haben.


Übrigens schreibe ich wie immer nur aus meiner persönlichen Sicht. Wenn andere Personen das Ganze völlig anders sehen, respektiere ich das natürlich. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung im Windsurf- und Kitesurfboardbau glaube ich jedoch schon eine relevante Aussage machen zu können.








Ciao

Rainer Kauper
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