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Alt 29.01.2019, 06:04   #2
mangiari
es geht aufwärts!
 
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Idee

Also erstmal zum Thema doppelte Leinen, das hört man ja öfter. Ganz ehrlich hab ich noch nie gesehen. Alle Videos von Hardcore-Aktionen auf Schnee, seien es radikale Loops oder auch einfach nur Flüge mit viel Luft unter dem Hintern, niemand benutzt da irgendwas doppelt im Leinenbereich.
Was man oft sieht ist eine zweite Leash im Suicide, gegen versehentliches Öffnen des QRs (je nach System), Tampen hinter dem Rücken um den Trapezhaken abzusichern usw.
Für echte Flüge haben die Leute dann schon auch mal Retter dabei, weil es dann eh oft auch Gleitschirmflieger sind. Ist natürlich in Bodennähe nicht sinnvoll.

Doppelte Leinen haben sicher viele andere Probleme, die dann im Endeffekt eher hinderlich als förderlich sind. Stell Dir nur ne Bar mit 9 Leinen vor, was ein Horror.
Bin mir auch sicher, dass sich das aerodynamisch im Loop bemerkbar macht.

Hab kurz auf die von Dir verlinkte Seite geschaut, also das super eng gedrehte "Lüpchen" mit Skiern in oberster Reihe hat sicher nicht mehr Lastspitze im System erzeugt als der Absprung bei einem normalen Sprung aus der Ebene. In dem konkreten Fall bist ja eher los gesegelt. Bei den allermeisten Fahrern dürfte eben genau die Kraftspitze beim Absprung die größte sein und wenn da was reißt, schmeißt es einen zwar auch gescheit, aber meist wird das dann nicht tödlich sein, wenn man nicht gerade an der Kliffkante abspringt. Das ganze System ist ja dynamisch, also ohne sich auf mehrfache Erdbeschleunigung zu katapultieren, hat man halt nie sonderlich größere Belastung als eben das Körpergewicht.

Was man machen kann ist insgesamt mit dem Durchmesser hoch gehen. Also nimmst halt eine DC500 Front und Backline, da haste was die Reißfestigkeit angeht sehr viel Reserve. Spleisst das ganze selber und machst den Überlapp mal großzügig doppelt so lang und vernähst ihn gescheit. In dem Bereich gehen Leinen gerne mal kaputt. Auch die Pigtails und Anknüpfpunkte am Kite anschauen, da sitzen oft einfache Knoten direkt vor dem Tampenende. Vom Klettern weiß man, dass solche Knoten gerne wandern/rutschen wenn man in den Bereich der Belastungsgrenze des Seils kommt. Wo möglich lieber 8er Knoten nehmen, oder einen einfachen mit doppelt ausgeführter Windung (so wie doppelter Fishermansknot / Spierenstich). Bissl Seil überstehen lassen schadet auch nicht (auch wenn sich da dann wieder ne Leine fangen kann, bei losen Leinen).
Sinnvoll ist sicher auch die unteren Meter, die mit Stahlkanten und sonstigem in Berührung kommen, nochmal sicherer auszuführen. Ich hab mir meine 5. Leinen an den North-Bars alle mit einer innenliegenden DC100 ausgestattet, damit die nicht durch Abrieb unerwartet reißen (ist mir mit dem Original schon mehrfach passiert, obwohl das fast 10-fach überdimensioniert ist). Für Flugleinen ist das aber keine Option, weil Du beim Einfädeln die Reckung verlierst und dann fliegen sich die Leinen wie 10 Jahre gebrauchte Schlapperteile.

Horst Sergio, der hier im Forum viele gute Materialtipps gibt, hat mich auch dazu veranlasst die ersten Meter immer mit erheblich stärkerem Material auszuführen. Dann reißt das Zeug nicht so schnell, wenn es über eine Kante schrabbt und man amputiert sich auch nicht so schnell, wenn man mal in die Vorleinen greifen muss. Bei sehr stark ausgeführten Vorleinen ist die Dehnung natürlich nicht so relevant, da kann man auch wieder ne dünne DC100 rein ziehen. Spleißen wird dann aber bissl mühsamer. Der Verlockung gemantelte Leinen aus dem Gleitschirmbereich zu nehmen sollte man widerstehen, diese sind nicht glatt genug. Nach zwei drei Rotationen/Loops lässt sich dann der Kite unter Volllast nicht mehr steuern.

Wesentlich kritischer sehe ich da den Rest des Systems. Trapeze sind oft billigst vernäht und haben gerne systematische Fehler, wo dann aus heiterem Himmel der Gurt raus knallt, weil die Naht bei Be- und Entlastung an der Abdeckung scheuert. Mir persönlich ist auch schon mal ein Trapezhaken gebrochen und auch ein Anknüpfpunkt aus dem Kite gerissen. Die windigen Barenden aus weichem Plastik sehen für mich auch nicht gerade so aus, als würden sie PSA-Standards halten können.

Kumpel ist auch schon mal (auf Wasser) ein North QR aus (damals) aktuellem Jahr mitten im radikalen Loop aufgegangen. Das hätte ich so auch nicht gedacht, mir ist noch nie eins aufgegangen und ich fahre einige ab 2011. Aber gut, ich bin zu feige für echte Loops.

Was man neben optischer und haptischer Kontrolle noch machen kann, sind Zugproben mit sinnvollem Gewicht. Also man könnte die fertig zusammengestellte Bar Leine für Leine mit 200kg belasten und hätte dann dadurch schon sehr hohe Gewissheit, dass das Ganze in dem Zustand auch sehr radikale Loops problemlos verkraftet. Dadurch setzen sich auch die Spleiße schön und die Leine ist wieder gescheit gereckt, wo sie geöffnet wurde. Wenn sich das ganze natürlich wie blöde auseinanderzieht, Niehtenlöcher im Kunstoff danach Langlöcher sind usw. dann sollte man Einzelteile austauschen, bis man was vertrauenserweckendes gefunden hat. Was eine Testbelastung von 250kg nicht schadfrei übersteht, sollte für Dich nicht in Frage kommen.
(ja ich weiß dass kg keine Einheit für Kraft ist)

Wie man den Kite selber testet ohne ihn zu beschädigen finde ich etwas schwieriger. Evtl. mit einem doppelt so schweren Fahrer
Am Boden sitzend, mit einem (im Ring mit Knoten) 200kg belastbaren Tampen an einem massiven Gegenstand fixiert den Kite durch loopen, dürfte ein vielfaches der Belastung auf's System bringen als jede realistische Aktion. Allerdings dürfte es einem schwer fallen danach dann alles genau zu kontrollieren, dass man bei der Aktion nicht ein paar Nähte an der Fronttube geschrottet hat...

Ansonsten gibt es natürlich immer auch die Option für dämlichen Strömungsabriss, hat man ja bei den diversen KOTAs gesehen wie das (auf Wasser) ausgehen kann. Und die haben da sicher laminareren Wind, als man ihn typischerweise beim Snowkiten antrifft.


Geändert von mangiari (29.01.2019 um 06:20 Uhr)
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